Darf die Private Unfallversicherung die Leistung zweimal kürzen?

Unfallversicherungsrecht
18.01.2018348 Mal gelesen
Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 18.01.2017- BGH IV ZR 481/15 Leistungskürzung ist möglich A) wegen Vorinvalidität und zusätzlich B) wegen Krankheit

 

Unüberschaubar vielfältige Klauseln nehmen die Unfallversicherer schon immer in die Bedingungswerke auf. Oft geht es um Kürzungen von Versicherungsleistungen oder des Invaliditätsgrades. Beispielsweise kann die Invaliditätsentschädigung wegen Vor-Invalidität oder aufrund einer mindestens 25%-igen Mitwirkung von Krankheiten und sogenannten Gebrechen mit entsprechenden Klauseln im Vertrag heruntergerechnet werden.

"Doppelt gemoppelt" gefällt den Unfallversicherungen und auch dem BHG

Manchmal werden sogar beide Klauseln nebeneinander angewendet! Obwohl ernstzunehmende Stimmen in Rechtsprechung und Literatur dies für eine doppelte Benachteiligung des Versicherten halten und ein Aushöhlen des Versicherungsschutzes vorgeworfen wird, teilt der BGH diese Bedenken bis heute nicht. So bestätigte der BGH in einer aktuellen Entscheidung aus dem Januar 2017: Der Versicherer darf hiernach die Versicherungsleistung oder den Invaliditätsgrad zweimal kürzen, wenn ein und derselbe Vorschaden eine Vorinvalidität darstelle und gleichzeitig bei der durch den Unfall verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt habe.

Nachteil für die Versicherten: Hohe Leistungskürzungen. Ein Beispiel:

Vereinbart ist eine Invaliditätsgrundsumme von 100.000 ? bei Vollinvalidität (100 % Invalidität). Besteht eine Gebrauchsunfähigkeit eines Armes wird der Versicherte mit 40 % der Invaliditätssumme entschädigt. Der Versicherte erleidet unfallbedingt eine Verletzung der Halswirbelsäule. Deswegen kann er den linken Arm nicht mehr so gut wie vor dem Unfall gebrauchen. Diese Gebrauchsbeeinträchtigung des linken Armes wird mit einer Gesamtinvalidität 20 Prozent eingeschätzt (20 % von 40.000 ? = 8.000 ? Leistung). Davon würde die Versicherung 5 Prozent wegen Vorinvalidität wegen degenerativer Vorschäden an der Halswirbelsäule abziehen. Dann bleiben nur noch 15 Prozent Invalidität (6.000 ? Leistung). Nun stellt beispielsweise ein medizinischer Konsiliargutachter der Versicherung fest, dass die Vorschädigung der Halswirbelsäule angeblich die Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes schon vor dem Unfall um etwa 50 Prozent minderten. Dann würde der Versicherer erneut 50 Prozent von der bereits gekürzten, verbleibenden Gesamtinvalidität abziehen dürfen. Am Ende kommen durch derartiges Hin-und Herrechnen mit verwirrenden Prozentabzügen und doppelter Kürzung nur noch 7,5 Prozent, also kümmerliche 3.000 ? Zahlung heraus.

Was sollten die Versicherten nach einem Unfall mit Verletzung beachten?

Werfen Sie doch mal einen Blick in die Bedingungen (AVB, AUB oder andere) Ihres Versicherungsvertrages! Ist dort eine entsprechende Klausel zur Mitwirkung enthalten, dann sollte man auf der Hut sein mit Erklärungen gegenüber der Unfallversicherung und am besten von Anfang Rat und Hilfe bei einem Spezialisten für diese Unfallregulierung suchen.

Ihre Ärzte können möglicherweise unterstützen

Auch sollten die behandelnden Ärzte im Hinblick auf mögliche Vorschäden sensibilisiert werden. Denkbare Überlegung: Könnte mein Arzt ohne weitere Diagnostik einen Vorschäden bestätigen? Besteht aus dessen Sicht tatsächlich eine Mitwirkung bei der unfallbedingten Gesundheitsschädigung? Es ist klug, sich die ärztlichen Befunde vor Weiterleitung an die Versicherung genauer anzusehen.

Experten-Tipp: Abrechnungsschreiben der Unfallversicherung nie ungeprüft akzeptieren

Aus unserer Erfahrung ist fast jedes Abrechnungschreiben falsch. Wenn die Unfallversicherung Sie in einem Schreiben auf angebliche Vorinvalidität oder vorgebliche Mitwirkung hinweisen und Zahlungen deswegen kürzen wollen, dann nehmen Sie das auf keinen Fall hin. Hier kann ein guter Anwalt viel erreichen. Letztlich muss der Versicherer die angebliche Vorschädigung und auch den vorgeblichen Mitwirkungsgrad beweisen. Und so einfach ist das oftmals nicht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten Sie unbedingt einen erfahrenen Anwaltsspezialisten einschalten.