Keine Sozialversicherungspflicht bei familienhafter Mitarbeit

Sozialversicherungsrecht
18.05.2020249 Mal gelesen
Für die Beschäftigung von Familienangehörigen sind keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn diese nur im familiär üblichen Rahmen mithelfen.

Wer als Arbeitnehmer abhängig beschäftigt ist, unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Dies gilt auch für mitarbeitende Familienangehörige. Selbstverständlich ist es nicht verboten, den Ehepartner oder sonstige Angehörige anzustellen. Die Beschäftigung von Familienangehörigen im Familienunternehmen unterliegt allerdings gewissen Anforderungen: Die Tätigkeit des Familienmitglieds muss zumindest in groben Zügen so ausgestaltet sein, wie auch die Tätigkeit eines fremden Dritten.

Das Bundessozialgericht hat dazu bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1994 bestimmte Kriterien aufgestellt und festgelegt, dass der mitarbeitende Familienangehörige in den Familienbetrieb eingegliedert und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen muss. Bei Verwandten darf das Weisungsrecht allerdings abgeschwächt sein, sofern es nicht vollständig entfällt. Außerdem muss das gezahlte Entgelt einen angemessenen Gegenwert für die Arbeit darstellen und über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinaus gehen. Das Entgelt muss den Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt werden, möglichst auf ein eigenes Konto. Wenn dann noch ein schriftlicher Arbeitsvertrag hinzutritt, sprich dies ebenfalls für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Müsste anstelle des Familienmitglieds zudem eine fremde Arbeitskraft beschäftigt werden, ist dies ebenfalls ein gewichtiges Indiz für ein "echtes" Beschäftigungsverhältnis.

 

Problematisch kann eine familienhafte Mitarbeit dann werden, wenn das Familienmitglied aus dem Unternehmen ausscheidet und Sozialversicherungsleistungen beansprucht, die auf dem beitragspflichtigen Entgelt beruhen (zum Beispiel Arbeitslosengeld nach einer Kündigung). Sozialversicherungsträger prüfen bei familienhafter Zusammenarbeit sehr genau, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht. Umgekehrt können die Versicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen auch Beiträge fordern, wenn sie zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei der Mitarbeit des Familienmitglieds um eine beitragspflichtige Beschäftigung handelt, obwohl die Familienangehörigen dies gar nicht gewollt haben.

 

Einen solchen Fall hatte das Sozialgericht Hannover im Jahr 2017 zu entscheiden. Unser Mandant führte einen kleinen Handwerksbetrieb, den er Ende der 90'er-Jahre von seinen Eltern übernommen hatte. Der Vater war mittlerweile verstorben und die Mutter half im Betrieb aus, indem sie Büro- und Hilfstätigkeiten erledigte. Die Rentenversicherung führte eine Betriebsprüfung durch und forderte hierfür Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 7356,90 EUR nach. Sie wertete die Tätigkeit der Mutter als eine vollwertige Beschäftigung, die demzufolge auch der Sozialversicherungspflicht unterliegen sollte. Die hier gegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht Hannover stellte fest, dass die pauschale Vergütung von 1200,00 EUR monatlich nicht als Arbeitsentgelt, sondern als Dank für die Tätigkeit der Mutter im Unternehmen zu werten sei. Die Pauschale sei auch nicht zwischen Mutter und Sohn gemeinsam vereinbart worden, sondern der Sohn habe diese einseitig als angemessen festgesetzt. Die Mutter selbst hatte nie nach einer Vergütung für Ihre Tätigkeit gefragt. Sie hielt Ihre Mithilfe für eine Selbstverständlichkeit. Auch die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit sprach gegen eine abhängige Beschäftigung. Die Mutter habe zwar Tätigkeiten ausgeübt, die den Tätigkeiten einer angestellten Laden- oder Bürohilfe entsprachen. Ihr seien jedoch keinerlei Aufgaben vorgegeben worden. Als frühere Inhaberin habe sie die Abläufe im Geschäft genau gekannt. Sie habe sich Ihre Aufgaben dort gesucht, wo etwas "im Argen lag." Ihre Tätigkeit sei nicht kontrolliert worden. Insbesondere habe der Sohn sie nicht verpflichtend zu Arbeitsleistungen nach seinen eigenen Vorstellungen heranziehen können. Zeitliche Vorgaben habe es nicht gegeben. Die Mutter habe nach eigenem Belieben im Geschäft gearbeitet. Manchmal habe sie sich auch im Geschäft aufgehalten, ohne eine konkrete Tätigkeit wahrzunehmen. Ihre Mithilfe sei auch nicht zwingend erforderlich gewesen. Eine fremde Arbeitskraft hätte anstelle der Mutter nicht eingestellt werden müssen.

 

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27.11.2017 hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund zunächst Berufung eingelegt. Diese wurde jedoch vom Niedersächsischen Landessozialgericht zurückgewiesen.

 

Sozialgericht Hannover-Urteil vom 27.11.2017-S 6 R 509/15

 

Siehe zu diesem Thema auch:

Sozialversicherungspflicht bei der Beschäftigung von Familienangehörigen, insbesondere Ehegatten: Statusklärung nicht vergessen!

 

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