Mann vs. Pkw - 70 % Mitverschulden - OLG Köln, 05.06.2019 - 6 U 234/18

Schmerzensgeldrecht
27.07.201943 Mal gelesen
Spontanität will gut überlegt sein - möchte man meinen. Da entschließt sich einer in Sekundenbruchteilen, einem anderen zu helfen, und muss sich am Ende noch sagen lassen, wohl etwas zu optimistisch gewesen zu sein. Fahrende Züge soll man ja nicht aufhalten, wegrollende Autos aber auch nicht.

Der "Held des Tages" ist ein Titel mit kurzer Verfallszeit. Die Idee, anderen im Notfall zu helfen, ist ja menschlich. Das Ergebnis unüberlegter Hilfseinsätze kommt jedoch oft überraschend. Gut. Manchmal bedarf es einer schnellen Reaktion, will man drohendes Unheil aufhalten. Bloß: Wenn's am Ende dann noch schlimmer wird, hat man im wahrsten Sinne des Wortes nichts gewonnen.

Der vereinfachte Fall: Lebensgefährte L. wartete vor dem Haus auf die Rückkehr seiner Freundin F. Die stellte ihren Pkw ab, grüßte kurz, und L. fiel auf, dass F.'s Wagen sich anschickte, die abschüssige Einfahrt herunterzurollen. So wie er war, mit Sandalen und in kurzer Hose, lief L. dem Auto nach und versuchte, es aufzuhalten. Der Pkw war stärker, überrollte L. und schleifte ihn noch 20 Meter mit.

Das Problem: Für Kraftfahrzeuge gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung. Die tritt bei Schäden ein, die durch ein Kfz verursacht werden. Dazu gehören auch Personenschäden, keine Frage. Was allerdings immer zu berücksichtigen ist: ein Mitverschulden des Verletzten. Man sollte also nicht versuchen, mit losem Schuhwerk Supermann zu spielen ...

Das Urteil: "Wer sich in Sandalen einem bergab rollenden PKW entgegenstellt und dabei gravierende Verletzungen erleidet, muss sich ein ganz erhebliches Eigenverschulden entgegenhalten lassen." Die Haftung ist hier zwar nicht voll aufgehoben, das Mitverschulden des Geschädigten jedoch mit 70 Prozent zu bewerten (OLG Köln, Urteil vom 5. Juli 2019, 6 U 234/18, Pressemitteilung).

Die Konsequenz: L. bekommt Schadensersatz und Schmerzensgeld, aber deutlich weniger, als er sich vorgestellt hatte. Und dabei sprach noch zu seinen Gunsten, dass er gewissermaßen Opfer einer unüberlegten Augenblicksentscheidung war. Mit etwas Nachdenken hätte er muckern (*) müssen, dass die Physik es nicht erlaubt, eine rollende Masse von mehr als einer Tonne Gewicht mit bloßer Muskelkraft aufzuhalten.

(*) Muckern ist ein Begriff aus der Münsteraner Masematte-Sprache und bedeutet "bemerken, wahrnehmen".